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Umweltkriminalität: Die neue EU-Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt ist in Kraft getreten

Newsletter – 24.06.2024

Bild zeigt Hand die Weltkugel hält

Umweltkriminalität: Die neue EU-Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt ist in Kraft getreten

Am 30. April 2024 wurde die „neue“ EU-Richtlinie 2024/1203 vom 11. April 2024 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt und zur Ersetzung der Richtlinien 2008/99/EG und 2009/123/EG im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und ist am 20. Mai 2024 in Kraft getreten. Sie ist bis zum 21. Mai 2026 von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen. Ziel der Richtlinie ist es, Umweltkriminalität zu bekämpfen und einen effektiven Schutz der Umwelt sicherzustellen. Sie beinhaltet eine erweiterte Liste von Umweltstraftatbeständen sowie eine Verschärfung der Sanktionen für natürliche und juristische Personen. Zudem sollen Ermittlung und Strafverfolgung solcher Taten erleichtert werden.

Hintergrund

Am 19. November 2008 verabschiedeten das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union erstmals die Richtlinie 2008/99/EG über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht. Diese Richtlinie verpflichtete die Mitgliedstaaten, EU-weit einheitliche Mindeststandards für bestimmte umweltschädigende Handlungen, die vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen wurden, festzulegen und schwere Verstöße gegen das gemeinschaftliche Umweltschutzrecht strafrechtlich zu verfolgen.

Am 15. Dezember 2021 legte die EU-Kommission einen Vorschlag zur grundlegenden Novellierung der bestehenden Richtlinie und Regelungen zum Umweltschutz vor. Anlass für die Verschärfung des Umweltstrafrechts waren die im Rahmen der Evaluierung der Richtlinie im Jahr 2020 festgestellten Defizite. Diese zeigten, dass die bisherigen Bestimmungen der Richtlinie 2008/99/EG nicht ausreichten, um die Einhaltung des EU-Umweltschutzrechts wirksam zu gewährleisten. Die Anzahl der erfolgreich ermittelten und verurteilten Fälle von Umweltkriminalität blieb sehr niedrig, und die verhängten Sanktionen waren zu gering, um abschreckend zu wirken. Zudem wurde die grenzüberschreitende Zusammenarbeit nicht systematisch verfolgt. Aus diesem Grund sollte die Liste der Umweltstraftaten in der Richtlinie 2008/99/EG erweitert und zusätzliche Straftatbestände aufgenommen werden. Außerdem sollten härtere Sanktionen eingeführt sowie Ermittlungen und die Strafverfolgung solcher Taten erleichtert werden. Dies soll nun durch die „neue“ Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt umgesetzt werden.

Neue Straftatbestände (Artikel 3)

Klar ist, dass die Richtlinie zu Verschärfungen für die Mitgliedstaaten führen wird. So wurde die Anzahl der strafbaren Handlungen von neun auf zwanzig erhöht, was mehr als einer Verdoppelung entspricht. Allen in der Richtlinie vorgesehenen Straftatbeständen ist gemein, dass das strafbare Verhalten entweder den Tod oder schwere Körperverletzungen von Personen, erhebliche Schäden an einem Ökosystem, Tieren oder Pflanzen zur Folge hat oder geeignet ist, solche Schäden zu verursachen. Strafbar ist (wie bereits bisher) ua folgendes Verhalten:

  • Verunreinigung von Luft, Boden oder Wasser;
  • nicht sachgerechter Umgang mit Abfällen;
  • Errichtung, Betrieb und Abbau von umweltgefährdenden Anlagen;
  • erhebliche Beeinträchtigung geschützter Tier- und Pflanzenarten;
  • erhebliche Schädigung geschützter Gebiete; etc

Die Richtlinie sieht nunmehr ua folgende neue Straftatbestände vor:

  • Inverkehrbringen von umweltschädlichen Erzeugnissen;
  • Durchführung bestimmter Vorhaben ohne Genehmigung;
  • Verstöße gegen Rechtsvorschriften über Chemikalien und Quecksilber;
  • Schädigung von Lebensräumen besonders geschützter Tierarten;
  • Illegale Entnahme von Oberflächen- oder Grundwasser;
  • Illegaler Holzhandel;
  • Illegales Recyclen von Schiffen etc

Die Richtlinie sieht eine besondere Strafschärfung vor, wenn es durch die Tat zur Zerstörung oder erheblichen Schädigung bestimmter Ökosysteme oder der Luft-, Boden- oder Wasserqualität kommt.

Die Mitgliedstaaten können zudem in ihren nationalen Rechtsvorschriften zusätzliche Straftaten zum Schutz der Umwelt vorsehen.

Härtere Strafen und Sanktionen (Artikel 5 ff)

Neben der Einführung neuer Straftatbestände verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten zur Ergreifung entsprechender Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die neu definierten Straftatbestände wirksam, angemessen und abschreckend mit strafrechtlichen Sanktionen gegen natürliche und juristische Personen geahndet werden können.

Führt eine vorsätzliche Tat den Tod eines Menschen herbei, so droht künftig eine Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens zehn Jahren. Die Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, in ihren nationalen Gesetzen noch strengere Strafen vorzusehen. Ohne Todesfolge sieht die Richtlinie Freiheitsstrafen von bis zu acht, fünf oder drei Jahren vor. Natürlichen Personen drohen neben Freiheitsstrafen auch Geldstrafen.

Über Unternehmen können bei schwerwiegenden Straftaten Geldbußen bis zu 5 % des weltweiten Gesamtumsatzes oder alternativ EUR 40 Mio verhängt werden. Für alle anderen Straftaten beträgt die Höchstgeldstrafe entweder mindestens 3 % des Gesamtumsatzes oder alternativ EUR 24 Mio.

Neben Geld- und Freiheitsstrafen sieht die Richtlinie ua auch folgende Sanktionen vor:

  • Verpflichtung, den vorherigen Zustand der Umwelt wiederherzustellen oder eine Entschädigung für Umweltschäden zu zahlen;
  • Ausschluss von öffentlichen Zuwendungen oder Hilfen;
  • vorübergehende oder dauerhafte Verbot der Ausübung einer Geschäftstätigkeit;
  • Entziehung von Genehmigungen und Zulassungen für Tätigkeiten, die zur betreffenden Straftat geführt haben;
  • vorübergehende Verbot einer Kandidatur für gewählte oder öffentliche Ämter;
  • Verpflichtung, Systeme zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht einzurichten, um die Einhaltung von Umweltstandards zu verbessern;
  • Urteilsveröffentlichung; etc

Bei der Strafbemessung sind Erschwerungs- und Milderungsgründe (Artikel 8, Artikel 9) gegeneinander abzuwägen.

Sonstige Neuerungen

Besonderer Schutz von Hinweisgeber (Artikel 14)

Die Mitgliedstaaten haben Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass Personen die Straftaten im Sinne der „neuen“ Richtlinie melden, Beweise vorlegen oder anderweitig mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten, im Einklang mit dem nationalen Recht im Rahmen von Strafverfahren Zugang zu Unterstützungs- und Hilfsmaßnahmen haben.

Zugang der betroffenen Öffentlichkeit zu Gerichten (Artikel 15)

Zudem sollen auch Personen, die ein ausreichendes Interesse haben oder eine Rechtsverletzung geltend machen, sowie Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und die Anforderungen des nationalen Rechts erfüllen, in Verfahren, die diese Straftaten betreffen, angemessene Verfahrensrechte haben, sofern derartige Verfahrensrechte für die betroffene Öffentlichkeit in dem Mitgliedstaat in Verfahren wegen anderer Straftaten bestehen.

Ressourcen, Schulungen und Zusammenarbeit (Artikel 17 ff)

Damit Umweltstraftaten künftig effektiv verfolgt werden können, haben die Mitgliedstaaten ihre Ermittlungsbehörden angemessen auszustatten und zu schulen. Zudem sollten sie eine Koordinierungsstelle einrichten, die eine länderübergreifende Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden innerhalb der EU ermöglicht.

Auf den Punkt gebracht und Praxistipp

Die nunmehr in Kraft getretene Richtlinie zeigt deutlich, dass die Bekämpfung von Umweltstraftaten für die EU hohe Priorität hat. Es bleibt abzuwarten, ob die Richtlinie tatsächlich ihr Ziel erreicht, die Umwelt besser zu schützen und Straftaten gegen die Umwelt entsprechend zu ahnden und zu sanktionieren. Der österreichische Gesetzgeber hat nun bis 21. Mai 2026 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen und die entsprechenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Insbesondere wird es für Unternehmen zur Ausweitung ihrer Verantwortlichkeit bei von ihnen zu verantwortenden Umweltschäden kommen. Unternehmen sollten daher (sofern das bisher verabsäumt worden ist) möglichst rasch interne Compliance-Maßnahmen implementieren bzw bereits bestehende Maßnahmen iHa die Neuregelungen anpassen (zB ordnungsgemäßer Umgang mit (gefährlichen) Abfällen etc), um Haftungsrisiken zu minimieren und Verstöße zu vermeiden. Etwaige bereits bestehende Verdachtsmomente können im Rahmen von internen Untersuchungen aufgearbeitet werden. Hierbei unterstützen wir Sie sehr gerne!

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