We for you in
Wechseln zu: LeitnerLaw
News > Verbandsklagen-Richtlinie: Neue Herausforderungen für Unternehmen seit Juli 2024

Verbandsklagen-Richtlinie: Neue Herausforderungen für Unternehmen seit Juli 2024

Newsletter – 29.08.2024

Das Bild zeigt eine Frau im Gerichtssaal

Am 18. Juli 2024 ist in Österreich die Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle („VRUN“) als Umsetzung der europäischen Verbandsklagen-Richtlinie (RL (EU) 2020/1828) in Kraft getreten. Damit verbunden sind weitreichende Folgen für Unternehmen und Verbraucher.

Doch was genau steckt hinter dem sperrigen Gesetzestitel und worauf müssen Unternehmen in Zukunft besonders achten?

Was sind Verbandsklagen?

Verbandsklagen sind Sammelklagen, die von Organisationen (Verbänden), im Namen vieler Verbraucher eingereicht werden, weil es für einzelne Verbraucher oft schwierig ist, ihre Rechte durchzusetzen. Diese Klagen zielen darauf ab, Ansprüche wegen Rechtsverstößen von Unternehmen, die eine große Zahl von Verbrauchern betreffen, gesammelt vor Gericht zu bringen. Beispiele hierfür sind unfaire Vertragsbedingungen, irreführende Werbung oder Verstöße gegen den Datenschutz.

Die wichtigsten Neuerungen der VRUN

Das neue Gesetz stärkt die Rechte von Verbrauchern und erleichtert es Verbänden, im Namen von Verbrauchern gegen Unternehmen vorzugehen:

Qualifizierte Einrichtungen zur Erhebung einer Verbandsklage

Bis zur VRUN war die Verbandsklage oder „Sammelklage“ in Österreich gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, sondern hat sich in der Praxis entwickelt. Verbraucher treten dabei entweder in einer Vielzahl an Klägern auf oder treten ihre Individualansprüche an einen Verband oder sonstigen Rechtsträger ab, der diese Ansprüche dann gesammelt im eigenen Namen einklagt. Diese Abtretung der Ansprüche ist infolge der VRUN nicht mehr erforderlich.

Klagebefugt im Interesse von Verbrauchern sind ausschließlich so genannte „Qualifizierte Einrichtungen“, nicht jedoch die Verbraucher direkt. Die wichtigsten klagsbefugten Qualifizierten Einrichtungen sind unter anderem

  • die Wirtschaftskammer Österreich,
  • die Bundesarbeitskammer,
  • der Österreichische Gewerkschaftsbund und
  • der Verein für Konsumenteninformation.

Darüber hinaus können juristische Personen, die die besonderen Voraussetzungen erfüllen, vom Bundeskartellanwalt durch Bescheid als Qualifizierte Einrichtungen anerkannt werden. Die Anerkennung als Qualifizierte Einrichtung kann sowohl für innerstaatliche Verbandsklagen als auch für grenzüberschreitende Verbandsklagen erfolgen.

Bereiten Qualifizierte Einrichtungen Gerichtsverfahren vor oder sind solche bereits anhängig, müssen sie darüber auf ihren Websites Informationen veröffentlichen (zB zu Beitritt und Beitrittsgebühr iHv max EUR 250,00). Damit sollen Verbraucher hinreichend über Rechtsverstöße informiert werden, von denen sie womöglich auch selbst betroffen sind und folglich die jeweilige Sammelklage für sie in Frage kommen könnte.

Die Möglichkeit der Drittfinanzierung einer Verbandsklage ist möglich, deren Ausgestaltung ist einzelfallbezogen vertraglich zu vereinbaren.

Arten von Verbandsklagen

Die Qualifizierten Einrichtungen verfügen über zwei Möglichkeiten der kollektiven Rechtsverfolgung:

  • Verbandsklage auf Unterlassung
    • Mit der Verbandsklage auf Unterlassung kann die Beendigung und das Verbot eines rechtswidrigen Verhaltens eines Unternehmens, das kollektive Interessen von Verbrauchern beeinträchtigt, geltend gemacht werden.
    • Relevant ist in diesem Zusammenhang, dass bei Vorliegen eines berechtigten Interesses die im Verfahren obsiegende Partei die mediale Urteilsveröffentlichung oder Veröffentlichung einer berichtigenden Erklärung beantragen kann. Die Reputation des betroffenen Unternehmens wird diesfalls (negativ) beeinflusst.
  • Verbandsklage auf Abhilfe
    • Sind mindestens 50 Verbraucher von einem im Wesentlichen gleichen gleichartigen Sachverhalt bzw Rechtsverstoß betroffen, kann dieVerbandsklage auf Abhilfe, gerichtet auf Rechtsgestaltung oder Leistung (zB Schadenersatz), erhoben werden.

Bedeutung und Handlungsbedarf für Unternehmen

Die Verbandsklage schafft für Verbraucher den Vorteil, nicht selbst klagen zu müssen, wenn sich eine Organisation (Qualifizierte Einrichtung) der Sache annimmt. Dieser Umstand birgt aber zugleich für Unternehmen ein erhöhtes Risiko, mit einer Klage konfrontiert zu werden.

Es ist daher dringend geboten, die eigenen Geschäftsabläufe und -praktiken und Vertragsbedingungen auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Dies gilt insbesondere in Bereichen, für die die neu geregelte Verbandsklage besonders geeignet ist, um Individualansprüche durchzusetzen. Erhöhte Risiken bestehen beispielsweise

  • bei unfairen Geschäftspraktiken im Wettbewerbsrecht (falsche Preisauszeichnung, irreführende Werbung wie Greenwashing),
  • für Schadenersatzansprüche wegen Preisabsprachen im Kartellrecht, oder
  • bei Missachtung von datenschutzrechtlichen Bestimmungen bei der Verarbeitung von Kundendaten.

Darüber hinaus sollten Unternehmen ihre Kommunikationsstrategien anpassen. Eine transparente und verbraucherfreundliche Informationspolitik kann dazu beitragen, das Risiko von Klagen zu minimieren. Insbesondere bei der Gestaltung von Verträgen und allgemeinen Geschäftsbedingungen ist auf klar und verständlich formulierte Klauseln zu achten.

Sollten Sie weitere Fragen zum Thema haben oder Unterstützung in diesem Zusammenhang benötigen, stehen Ihnen die Expert:innen von LeitnerLaw Rechtsanwälte gerne zur Verfügung.

 

Redaktion:

  • MMMag. Dr. Johannes Edthaler
  • MMag. Dr. Pracher Irmgard MBA
  • Mag. Laura Blumauer
  • Mag. Christian Eidenberger LL.B.

Autor:innen


Let's get in touch!
Kontakt